Wie politisch darf es sein?

Die aktuelle Webmasterfriday Frage lautet: Wie politisch kann/darf/sollte ein Blog sein? Meine Antwort darauf: „So viel wie man möchte“. Das nämlich gehört zu meinem Politik- und Demokratie Verständnis. Ich habe mich dazu im Zusammenhang mit Stuttgart 21 schon ein wenig ausgelassen, im Artikel Politik und Seo. Ich finde es wichtig, dass jeder seine Meinung kund tun darf. Und es wäre toll, wenn möglichst viele Menschen das auch tun würden/könnten.

Wir Blogger haben es da etwas leichter als Otto Normalbürger, das Bloggen verschafft uns ein wenig mehr Reichweite. Das ist schön, denn es gibt uns eine einfache Möglichkeit zum Bürgerprotest. Und zwar des friedlichen Bürgerprotestes. Von zu Hause aus, in der warmen Stube sitzend. Das ist auf jeden Fall sicherer, als auf der Straße zu demonstrieren und mit dem verlängerten Arm des Staates Bekanntschaft zu machen.

Ich lege vor allem auf eines Wert, auf die Wahrheit. Und hier hat man im Laufe der letzten Jahre das Gefühl bekommen, in der deutschen Politik ist die Wahrheit nur noch störendes Beiwerk. Was haben unsere Politiker schon alles versprochen, was haben sie Jahre, Monate oder auch nur Tage später wieder gebrochen? Viele Politiker müssen uns für ganz schön dumm halten. Für Wahlvieh. Für Schafe, denen man ein Stückchen von der Weide abzäunt, damit sie fröhlich vor sich hingrasen können. In der Hoffnung, dass die Schäflein zufrieden damit sind und nicht anfangen rumzublöken.

wir sind schafe

Wir Blogger sind potentielle Blöker. Wir sind die schwarzen Schafe. Wir sind i.d.R. gut gebildet, wir sind Informationssammler und können uns halbwegs gut ausdrücken. Dummerweise geht es den meisten Bloggern aber auch nicht so schlecht, dass sie gleich auf die Barrikaden gehen wollen. Wir sind satt, säßen wir auf der Straße und/oder müssten wir hungern, dann würden wir sicher lauter blöken. Nur wer auf der Straße sitzt, der bloggt eher selten.

Die Armen und Ärmsten haben keine Lobby, im Gegensatz zu den hohen Tieren in der Politik, die haben die Wirtschaftslobby. Diese hängt den Politikern mit ihren Wirtschaftsinteressen am Ärmel und mit ihren Händen in der Tasche. Es könnte aber auch umgekehrt sein. Die Parteispenden in Deutschland sind ja nur die Spitze des Eisbergs. Man könnte von Peanuts sprechen. Die tatsächlichen Geldflüsse dürften ganz andere Dimensionen erreichen. Ganz zu Schweigen von den Geldflüssen, die durch diese Geldflüsse in der Wirtschaft in Bewegung gesetzt werden.

Unsere Politiker leben in ihrer eigenen Welt. Wenn wir die Schafe sind, dann sind sie die Schweine. Sie werden gemästet von Industrie & Wirtschaft, verleiben sich das Futter ein und machen dann nur noch Scheisse. Und damit düngen sie dann das Gras auf unserer Schafsweide. Guten Appetit :)

10 Gedanken zu „Wie politisch darf es sein?“

  1. Ich würde dir ans Herz legen, mal für eine Woche ein hohes politisches Amt zu übernehmen, dann würdest du ein wenig anders denken. Politiker haben mitunter den härtesten Job, den man sich vorstellen kann, und die Bezahlung ist für eine solch verantwortungsvolle Aufgabe, im Vergleich zu Managergehältern, ein schlechter Witz.
    Wenn du die Politik schon so heftig kritisierst, schlage ich vor, dass du dich ab sofort in deinem Ortsverband, egal welche politische Gesinnung du auch hast, ehrenamtlich engagierst.

    Sowohl die politische Führung als auch die Politikprozesse in der Bundesrepublik sind im Vergleich zu anderen Demokratien mehr als Vorbildlich. Schwarze Schafe gibt es immer, in jeder Branche…

    Zu Stuttgart21: Das Vorhaben ist seit mehr als 10 Jahren publik, gerade in Zeiten des ungebremsten Informationsflusses hätten die Menschen wesentlich eher aufbegehren können und Ihren Protest in den Bundes- Landtags- und Kommunalwahlen in Baden-Württemberg zum Ausdruck bringen können, nun scheinen die Menschen überrascht das CDU und FDP das Projekt durchsetzen…selber Schuld.

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  2. benny, ein ehrenamt als abteilungsleiter eines sportvereins reicht mir. und erzähl mir nicht, die politiker hätten vor 10 jahren mit völlig offenen karten agiert oder es hätte sich seitdem nichts verändert. und diese reaktionen in letzter minute sind doch völlig normal, warum sollte der mensch sofort losrennen, wenn etwas vielleicht erst in jahren passiert (oder auch nicht)?

    und wer sich politisch engagiert, der agiert in einem system dass nur bestimmte typen von menschen nach oben lässt. und das sind bestimmt nicht jene, die sich nicht verbiegen. was ist denn mit parteienzwang und solchen dingen, dient das der wahrheitsfindung und gerechten stimmverteilung oder der durchsetzung von interessen. das politische system ist doch mehr von persönlichen und parteipolitischen interessen durchzogen als von dem streben nach gerechter vertretung von volkes meinung. insofern entfernen sich die meisten politiker im laufe ihrer politischen karriere von dem menschen, der sie früher mal waren. meiner meinung nach regieren in stuttgart wirtschaftsinteressen vor bürgerinteressen. und weil die mehrheit auch so empfindet, geht sie auf die straße. und dieses empfinden ist halt heute stark, nicht vor 10 jahren, wo das ganze kaum ein mensch bemerkt hat.

    und angenommen ich würde in die politik gehen, ich wüsste nicht ob ich da glücklich wäre. ich versuche es allen recht zu machen, ich möchte menschen helfen, ich mag mich nicht verbiegen lassen. keine ahnung wie stark so ein system mich verbiegen könnte. im politischen ökosystem werden aber eher die raubtiere siegen, ich wäre da höchstens ein schaf im wolfspelz.

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  3. …wie recht der Gerald doch hat.
    Ich habe während 30 Jahren als Freier MA der Lokal-Journaille oft genug erfahren und auch kennen gelernt, wie frustrierend es als Vorstand sein kann,
    sich für die biederen Mitglieder, Teilnehmer oder – am schlimmsten – die Narren im Süden der Republik einzusetzen.
    Und wer mal mit seinem MdB-Abgeordneten in Berlin war, der erfährt auch,
    wie die Ochsentour läuft, um nach oben zu kommen.
    Und zwischen den Fraktionen heißt es… wenn ihr uns, dann wir euch…

    Und dann erinnere ich noch an die leeren Reihen im Bundestag, wenn einen mal was gar nicht interessiert, dann aber doch abgestimmt wird…

    Akso, erzählt mal nix über die Diäten.

    Witz nebenbei: Manche mache zwei Diäten, weil sie von einer nicht satt werden…

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  4. Teilweise gebe ich euch recht, zumindest Gerald in dem Punkt, dass in der Spitzenpolitik nicht mehr die breite Masse der Bevölkerungsschichten vertreten ist. Trotzdem halte ich unser System, gerade im Hinblick auf die demokratische Legitimation (Stichwort 2 Kammern System), insgesamt für außerordentlich gut.
    Das es viel zu viele Politiker gibt, die Klientel-Politik betreiben und sich von der Wirtschaft viel zu stark beeinflussen und lenken lassen, ist selbstverständlich ebenso klar wie falsch. Aber gerade im Fall S21 ist die Planung für selbiges Projekt nicht erst seit gestern bekannt. Die Menschen sollten nicht ständig auf Politikern und der Politik als solches rumhacken, sondern sich, bevor Sie auf die Strasse gehen, umfassend informieren.

    Ganz nebenbei bemerkt sind die Milliarden in einem Infrastruktur-Projekt besser aufgehoben, als das Geld für Kohlesubventionen oder ähnliches zu verschwenden.

    Für das Ehrenamt im Sportverein zolle ich dir selbstverständlich Respekt, dass ist ebenfalls immens wichtig.

    In diesem Sinne, schönen Tag noch.

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  5. Hallo,
    ich denke, wenn man den Artikel auf die oberste Führungsebene der Politik bezieht, passt es wie die Faust aufs Auge.
    Besonders der letzte Abschnitt passt so gut wie George Orwells „Farm der Tiere“.

    Das Politiker in den Kommunalebenen bei der Wahrheit bleiben und Versprechen eher einhalten, hängt davon ab, dass sie greifbarer sind und genauso schnell bei der nächsten Wahl vom Fenster weg sind, wie sie gekommen sind.

    Aber spätestens beim harten Aufstieg in der Politikhierarchie, werden sie irgendwann verdorben.
    Der Apfelkorb fault dort nämlich langsam von oben nach unten.
    Das beste Beispiel: die inzwischen etablierten Grünen.

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  6. Ich versuch mich ja immer aus politischen Diskussionen herauszuhalten, muss hier jedoch etwas zu sagen.

    Natürlich sollte jeder seine Meinung kundtun dürfen. Auch als Blogger etc. Jedoch sollte man nicht vergessen, dass es sich hierbei um Meinungen handelt. Gerade bei S21 werden Meinungen oft mit Wahrheiten verwechselt und genau dort liegt die Gefahr.

    So werden Meinungen anderer Leute plötzlich zu „Fakten“ und aus diesen „Fakten“ werden Parolen. Man sieht es bei S21 immer und immer wieder, wie dies geschieht. Gefährlich ist dies vor allem in der politischen Meinungsbildung. So werden vlt. Leute gewählt aufgrund von angeblichen Fakten. Die Resultate bekommt man später präsentiert.

    Genau aus diesem Grund halten sich viele Leute beim Posten politischer Themen zurück.

    Die Wahrheit geht übrigens auch oft unter in diesen Meinungen.

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  7. Ich denke, das ist doch gerade die Wurzel des Bloggens, das politische engagement, das Unbequeme gegenüber den Machthabenden, das hinterfragen von Umständen, in denen wir leben?

    Ich habe den Eindruck, dass man in anderen Ländern, wie ein etwa dem asiatischen Raum oder den USA, immer noch die Kernkompetenz des Bloggers im Engagement für eine Sache sieht. Das Geldverdienen ist für viele zweitrangig. Bei uns, so habe ich zumindest den Eindruck, werden leider die meisten Blogs nach der Prämisse erföffnet: wie viel kann ich damit verdienen?

    Wen wundert es da, dass es so wenige wirklich gute Blogs in Deutschland gibt?
    Wir könnten uns da ausnahmsweise wirlklich was von den sonst so gedissten USA abgucken, denke ich.

    Danke für Deinen Post über dieses Thema.

    Grüße
    Oliver

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